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Editorial

 

Liebe Leserinnen und Leser

Es ist einer der klassischen Mythen über das Literatendasein:
Die Schriftstellerin, der Dichter muss sich ganz der eigenen Arbeit hingeben können, um schöpferisch tätig werden zu können. Andere Menschen, die Herausforderungen des Alltags, «das Leben» stören dabei eher. Auch wenn man sich fragen muss, ob eine solche Vorstellung in Zeiten von Autorenkollektiven, Literaturstudiengängen und dem Internet samt obligater Selbstvermarktung über die sozialen Medien wenn nicht völlig unrealistisch und aus der Zeit gefallen, so doch stark romantisierend ist: Dieser Mythos lebt bis heute fort, ganz konkret zum Beispiel in vielen abgelegenen Residenzen und Rückzugsorten für ­Autorinnen und Autoren, aber auch in etlichen Schriftstellerbiografien.

Ist also doch etwas dran am Klischee? Wovor brauchen Autoren heute Rückzug – oder vielleicht sogar: Schutz? Wo arbeiten sie am liebsten, am besten? Wie sehen die tatsächlichen und symbolischen Eremitenklausen heutiger ­Literaturschaffender aus? Was ist mit dem «Störfaktor» Familie? – Diesen Fragen widmet der «Literarische Monat» den Themenschwerpunkt dieser Ausgabe. Wie immer wechseln sich Reflexionen zum Thema mit Beiträgen ab, die sich den Themenfeldern Rückzug und Einsamkeit literarisch nähern.

Nicht geplant war, mit dem Schwerpunkt «Rückzug» auch den Rückzug ­unserer Zeitschrift ankündigen zu müssen. Nach neun Jahren ist die SMH Verlag AG nicht mehr bereit, das aus der Produktion des «Literarischen Monats» ent­stehende Defizit zu decken. Nach der Sommerausgabe 2020 ist hier Schluss. Aus finanzieller Perspektive ist das nachvollziehbar, und die Redaktion dankt dem Verwaltungsrat dafür, dass dieses Abenteuer immerhin fast eine Dekade lang möglich war. Zudem wird der «Schweizer Monat» seinen Kulturteil ab Juni deutlich ausbauen. Sie dürfen sich auf ein attraktives Angebot dazu freuen – bald mehr dazu! Aber natürlich sind wir traurig über die Aussicht, dass die Deutschschweiz um eine weitere Literaturzeitschrift ärmer zu werden droht. Die Redaktion sucht derzeit nach Möglichkeiten und neuen Partnern für eine Fortsetzung. Was daraus geworden ist, erfahren Sie dann im nächsten Heft.

Wir hoffen das Beste. Wenn alle sich zurückziehen, wird es allzu einsam.

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