Kaspar Schnetzler:
«Das Modell»
Kaspar Schnetzler erzählt in «Das Modell» aber nicht nur eine zartgliedrige Biographie, sondern obendrein eine gegen den Strich gebürstete «Sterntaler» Geschichte: Selbstversunken geht Flint durchs Leben, macht keinen Finger krumm für andere, während bei jedem kleineren Schicksalsschlag ein Regen aus Glück, Gold und genialen Ideen auf ihn herabrieselt. Flints eigentliches Wirken: nebensächlich. Nicht der Rede wert. Selbst die grösste Tat des Werbetexters Flint wird eigentlich nur am Rande gefeiert: Gross Münsterburg steigt zwar in diversen Städte-Rankings auf zur beliebtesten Metropole der Welt, aber welche architektonischen Eingriffe dazu führten und wie die schlagkräftige Marketingstrategie ansetzte… – kein Wort darüber, nur der Hinweis, dass womöglich gar nicht Flint selbst all die Pläne austüftelte. Natürlich regnet es dennoch Gold. Und Flint geht wieder basteln. So bleibt dieser ironische Blick auf die allzeit aufstrebende Stadt Zürich nur eine Nebenlinie im alltagsgrauen Handlungsstrang. Es wäre an den Nebenfiguren, etwas mehr Farbe ins Leben des Eigenbrötlers zu bringen. Doch leider, und obwohl es sich für ein anständiges Märchen gehört, besteht auch dieses Arsenal aus durchweg eindimensionalen Typen: Zicken sind zickig, freundliche Väter freundlich, väterliche Freunde väterlich, matronenhafte Gönnerinnen gönnen, lesbische Bürgermeisterinnen verlieben sich in Frauen – und was auch immer geschieht, Sterntaler profitiert, kassiert und kümmert sich nicht weiter um die Welt da draussen. Schliesslich hat er ja auch ein viel feiner gestaltetes Modell von ihr da drinnen. In der Dachkammer. Und da sich diese zunehmend als nicht abgeschottet genug herausstellt, flieht er in die Wälder, in die Arme seines verehrten Henry David Thoreau, lebt glücklich und zufrieden bis ans Lebensende.
Kaspar Schnetzler: Das Modell. Zürich: bilger, 2014.