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Nicht noch ein Text zu Olten!

Überfälliger Abschied von den Klischees.

Nicht noch ein Text zu Olten!

Das war’s. Wir haben es jetzt wirklich alle begriffen: In Olten leben Menschen, die schreiben. Wenn das jemand immer noch nicht weiss, dann liest er keine Zeitung, keine Magazine und bestimmt auch keine Bücher, ist nicht auf Facebook und hält sich beim Radiohören die Ohren zu. Vielleicht interessiert es ihn auch einfach nicht, woher die Menschen kommen, die gute Bücher schreiben, gute Literatur fabrizieren, gute Spoken-Word-Performances auf die Bühne bringen. Vielleicht geht es ihm einfach nur um den Inhalt und die Form und darum, ob ihm etwas gefällt oder nicht. Vielleicht ist er ein Hedonist, ein richtig unreflektierter, nur dem eigenen Vergnügen nachgeifernder Bonvivant, der immer nur nach dem nächsten Lesevergnügen trachtet, ohne dass es ihn interessiert, wie die Person aussieht, die sich hinter den Wörtern versteckt, woher sie kommt, was sie sonst so macht, mit wem sie ins Bett geht und ob die Ich-Erzählerin im Buch vielleicht doch mit dem Autoren-Ich gleichzusetzen sei, denn immerhin kann man ja nichts glaubhaft erzählen, das man selbst nicht erlebt hat. Oder etwa doch?

Ich könnte hier zum Beispiel erzählen, wie es für mich war, an der Eröffnungsfeier des Schriftstellerweges als einziger Mann über fünfzig anwesend zu sein und mich inmitten all der erfolgreichen, jungen Frauen machtlos zu fühlen, den einzigen Verbündeten im Moderator zu finden, der eigens dafür vom SRF-Wetterstudio angeheuert wurde. Ich könnte erwähnen, wie demütigend es sich angefühlt hat, meine erst so stolze Freude über das Mitwirken an einem Projekt an der Seite von drei wirklich grossen und erfolgreichen Frauen der Schweizer Literaturszene mit jedem Handschlag einer weiteren jüngeren Frau Stück für Stück zu verlieren, mit jedem wohlwollenden Schulterklopfen meinen Platz in dieser von jugendlicher Leichtigkeit beherrschten femininen Welt noch deutlicher zugewiesen zu bekommen. Ich könnte beschreiben, wie unangenehm mir die Situation war und dass nur meinen drei älteren, lange vertrauten Freundinnen ebenfalls auffiel, wie unausgeglichen das Geschlechter- und Altersverhältnis war, und dass ich das Gefühl hatte, dass nur sie imstande waren, nachzuvollziehen, womit Männer – noch dazu in meinem Alter – in dieser Szene zu kämpfen haben, in der man sich trotz Talent nicht einfach so behaupten kann, weil man immer wieder reduziert, unterschätzt, nicht ernst genommen wird. Ich könnte berichten, wie ausgenutzt ich mich gefühlt habe, weil ich mich als Quotenfüller verstand, und wie sich alles erst besserte, als ich endlich aus diesem Stadttheater raus war, an der frischen Luft, weg vom Frühstück und all den jungen Schriftstellerinnen.

Natürlich würde mir das niemand glauben, schliesslich bin ich eine junge Frau und ältere Männer fühlen sich jungen Frauen gegenüber nur selten unterlegen. Ich würde also eine schlechte Story erzählen, denn niemand könnte sich mit diesem Mann identifizieren, das Ganze wäre gänzlich weltfremd und es würde sich nicht verkaufen lassen, niemand wollte das drucken und noch weniger wollten es lesen. Ausser vielleicht dieser Hedonist: Er würde den Text lesen und Vergnügen daran finden, in eine Rolle zu schlüpfen, die er noch nicht kennt, die es in dieser Form wahrscheinlich gar nicht gibt und die er sich in seinen wildesten Träumen nicht ausgemalt hat, weil die Vorstellung an sich doch gar nicht so wild ist, sondern ziemlich realistisch, nur eben unter umgekehrten Vorzeichen.

Man muss kein Hedonist sein, um einfach nur lesen zu wollen und sich nicht darum zu scheren, woher das kommt, was einen daran fasziniert. Alles, was Literatur braucht, um gut zu sein, ist ihr Inhalt – ohne Klappentext und Autorenfoto. Sie braucht nur die eigene Sprache und die Phantasie des Lesers, um das zu sein, was sie sein will: Kunst und Horizonterweiterung, Geschichtenerzählerin, Denkerin und Unterhaltung. Woher sie kommt und wohin sie geht, ist dabei so unwichtig und unerklärbar wie der Ursprung der Menschheit, deren Sinn und Ende. Also lest und schreibt und lebt, wo ihr wollt. Olten ist eine Option.

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