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Jens Steiner:
«Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit»

 

Jeder, der Jens Steiners Worte schon einmal durch seine Tenorstimme vernommen hat, denkt, der Autor hätte die Dialoge seiner Romane nur für den Vortrag durchkomponiert. Das galt schon für «Carambole» von 2013 – und es gilt auch für «Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit». Allerdings: die Stimmen werden jünger. Im Mittelpunkt von Steiners jüngstem Roman steht der Philosophiestudent Paul Kübler, den «eine Mischung aus aufrichtiger Neugier und Boshaftigkeit» gegen seine Umwelt «dem Fach zugetrieben hatte». An seiner Seite: Freund Magnus, der einen Anschlag auf die Universität ausheckt, denn: dieser immerzu hochgepriesene Studienalltag erweist sich rasch als allzu fad und öd. Gemächlich, ja geradezu gelangweilt beobachten die beiden die Welt und blasen philosophische Sätze wie Rauchringe von sich – bis sie sich entscheiden, mit einer Sabotageaktion selber für Aufregung zu sorgen: Als der Medienzar Kudelka an der Uni einen Vortrag hält, entlarven sie mit einer ausgeklügelten Manipulation dessen Doppelzüngigkeit.

Gleichenabends berichten die Abendnachrichten: Ein junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit habe Kudelka entführt – zum Erstaunen von Paul Kübler und ebenso des Lesers. Ist der Bubenstreich ausgeartet? Oder ist das Ganze ein Parallelspiel von medialer und tatsächlicher Realität? Während der Leser rätselt, findet sich der Ich-Erzähler in der Wohnung seines Nachbars wieder, und die wird sogleich der Ausgangspunkt für ein rasantes Verfolgungsmanöver, dessen lückenhafte Anlage filmisch zwischen Marseille und Zürich hin und her springt.

Gefinkelt ist jetzt die unzuverlässige Erzählweise, strategisch angelegt sind die Spielzüge, die eine gewisse sudokuhafte Konzentration abverlangen. Und Jens Steiner ist, das sei an dieser Stelle festgehalten, ein wunderbar schelmischer Beobachter! Abenteuerlich verwinkelt er seinen Roman in der Tradition grosser Namen: Er leiht für sein Handwerk Labyrinthisches von Kafka, sanfte Ansätze der Desorientierungstechnik Vargas Llosas und eine Prise der Groteske Bulgakows. Selbst der Pudel des kauzigen Schopenhauer findet in einer Nebenrolle Platz. Zug um Zug brütet Steiner gemeinsam mit dem Protagonisten einen philosophischen Krimi aus, dessen unheimliche Stimmung den Spannungsbogen bis zum Ende hält.

Jens Steiner: Junger Mann mit unauffälliger Vergangenheit. Zürich: Dörlemann, 2015.

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