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Zum Premio Pusterla Junior 2018

Wir sind Kolleginnen an der Universität Zürich, die eine an der Philosophischen, die andere an der Medizinischen Fakultät. Die eine träumte schon lange von einem Essaywettbewerb für Medizinethik-Studierende, die andere fand die Idee unbedingt unterstützenswert – Brückenschläge zwischen Literatur und Wissenschaft tun not. Wir packten an und entwickelten den Premio Pusterla Junior am Institut für […]

Wir sind Kolleginnen an der Universität Zürich, die eine an der Philosophischen, die andere an der Medizinischen Fakultät. Die eine träumte schon lange von einem Essaywettbewerb für Medizinethik-Studierende, die andere fand die Idee unbedingt unterstützenswert – Brückenschläge zwischen Literatur und Wissenschaft tun not. Wir packten an und entwickelten den Premio Pusterla Junior am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte der Universität Zürich. 55 Erstsemestrige reichten ihren Text aus dem Kurs «Grund­lagen der Ethik in der Medizin» ein, gefragt war die narrative Reflexion einer eigenen Erfahrung von medizinethischer Brisanz. Nach Schreib- und Bühnencoaching traten drei Finalistinnen – Gioia Epprecht, Andrina Singelmann und Selina Steiger – am 7. März 2018 in Zürich vor Publikum und Livejury.

Brida von Castelberg, Michael Fehr und Raoul Schrott gelangten nach heisser Diskussion zum salomonischen Patt (jede Finalistin bekam eine Stimme). Umso wichtiger war nun das Publikum im vollgepackten Saal. Sein Votum ging an «Ein Messer, ein Feuer und viele offene Fragen» und machte Selina Steiger zur ersten Preisträgerin des Premio Pusterla Junior. Sie gewann 1000 Franken und den Abdruck ihres Texts im «Literarischen Monat» sowie der «Schweizerischen Ärztezeitung».

Die Jurydebatte, die der Entscheidung voranging, warf grundsätzliche Fragen auf: Was ist ein Essay überhaupt? Wie begriffsscharf, kühl und argumentativ ist die Gattung wirklich? Zielt sie nicht auch auf empathische Narration und autobiographische Ein­fälle? Während Raoul Schrott die Erzählhaltung hinter dem Siegertext hart kritisierte (was Michael Fehr klar konterte, wobei er an den Auftrag zur Ehrlichkeit erinnerte), zweifelte Brida von Castelberg an der Faktizität eines der geschilderten Fälle (musste sich aber eines Besseren belehren lassen). Wir sind sicher, dass Michel de Montaigne auch in Zukunft beim Premio Pusterla zum Rechten sehen wird. Der Schutzpatron der Essayisten dient dem Prinzip der Abschweifung so unbeirrt wie kein anderer.

 


Hildegard Keller
ist Literaturkritikerin (Ingeborg-Bachmann-Preis, «Literaturclub»), Professorin für deutsche Literatur und Autorin.


Nikola Biller-Andorno
ist ordentliche Professorin für Biomedi­zinische Ethik an der Universität Zürich.

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