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Catalin Dorian Florescu: «Der Nabel der Welt»

Catalin Dorian Florescu:
«Der Nabel der Welt»

 

Catalin Dorian Florescu ist in erster Linie als Romanautor bekannt. Mit «Der Nabel der Welt» hat er nun seinen ersten Erzählungsband veröffentlicht. Die neun Geschichten handeln von den Themen, die auch in anderen Werken Florescus massgeblich sind: der Aufbruch ins Unbekannte und die Suche nach dem Glück. Einige Figuren aus «Der Nabel der Welt» verlassen ihre Heimat und wandern aus, andere erleben Begegnungen, die ihrem Leben eine neue Richtung geben.

Die Erzählungen sind über einen Zeitraum von sechzehn Jahren entstanden. Da überrascht es nicht, dass sie sich mit Blick auf Länge, Erzählperspektive und Stimmung teils stark unterscheiden. Geschichten mit auktorialem Erzähler ergänzen solche mit einem Ich-Erzähler. Manche schlagen ernste Töne an, andere humorvolle.

Die Geschichten lassen sich unabhängig voneinander lesen und dank der einfachen Sprache federleicht. Dafür sorgt auch Florescus Erzähltalent. Wer Romane des Autors kennt, weiss um seine Fähigkeit, grossartige Geschichten zu erzählen, die mehrere Generationen, Kontinente und Jahrhunderte umspannen. Und Figuren und Handlungsstränge auf geniale Art miteinander zu verknüpfen, die auf den ersten Blick überhaupt nichts miteinander gemein haben. Sein zuletzt veröffentlichter Roman «Der Mann, der das Glück bringt» ist ein Beispiel dafür.

Diese Art des Erzählens eignet sich für kurze Geschichten theoretisch nur bedingt. Denn viel erzählte Zeit verlangt oft nach einer langen Erzählzeit, vor allem, wenn viele Schauplätze involviert sind. Was die Suche nach dem Glück für eine Figur bedeutet, erschliesst sich für die Leser zudem oft nur, wenn sie ihre Vorgeschichte kennen.

Die Geschichten in «Der Nabel der Welt» funktionieren trotzdem. Florescu bricht weltumspannende Geschichten auf einzelne, schicksalhafte Momente und Begegnungen herunter. Und beschreibt die Figuren und diese Momente mit einem liebevollen, wertschätzenden Blick, den Florescu-Leser ebenfalls aus seinen Romanen kennen.

«Sie wollte ihren Bruder noch einmal sehen, mit den Augen von jemandem, der nicht über alle Berge war. Der nicht dann und wann zurückkehren würde, mit der anderen Welt im Blick. Dann würde sich die Befremdung einschleichen und der Ort, an dem sie nun leben würde, würde eine immer grössere Rolle spielen.»

Mit dem Erzählungsband zeigt Florescu, dass er auch kurze Prosa ausgezeichnet beherrscht. Die Geschichten sind eine angenehme, schöne Lektüre. Wer «Der Mann, der das Glück bringt» mochte, findet auch an diesem Buch Gefallen.

Catalin Dorian Florescu: Der Nabel der Welt. München: C.H. Beck, 2017.

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