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Im Vorüberfahren – Drei Ausrisse

TIGRA steht in Grossbuchstaben auf dem leeren Käfigwagen westseits des blauen Hauses. Wenn Tigra abends von der Fabrik nach Hause kommt, kocht ihm seine Frau ihr sagenhaftes Linsengericht, um dessentwillen sich der Dompteur vor Jahren schon bei uns hat einbürgern lassen. (Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.) Tigra weiss, dass er seine Tiere […]

  1. TIGRA steht in Grossbuchstaben auf dem leeren Käfigwagen westseits des blauen Hauses. Wenn Tigra abends von der Fabrik nach Hause kommt, kocht ihm seine Frau ihr sagenhaftes Linsengericht, um dessentwillen sich der Dompteur vor Jahren schon bei uns hat einbürgern lassen. (Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.) Tigra weiss, dass er seine Tiere nicht umsonst mit dem Fahrradbau vertauscht hat.
    Insgeheim stelle ich mir zwar immer noch einen Auftritt Tigras in der Zeltmission vor, die rechterhand in einem abgeernteten Maisfeld ihr Lager aufgeschlagen hat. Zwischen einschlägigen Bibelzitaten (und zur Freude der Kinder) stehen plötzlich Tigras Tiger um den Feldaltar herum. Sie prüfen den Prediger mit ihren gläubigen Augen: Er verwandelt tatsächlich Brot in Fleisch.
  2. Shell. Über dem flachen Garagendach des Autokönigs leuchtet die Muschel gelb in den späten Nachmittag hinein. Bleifreiheit legt sich geruchlos übers Land. Die Kassiererin vom Tankstellenshop toupiert ihre Fransen im Automatenglas.
    Auf der gegenüberliegenden Strassenseite liegt das Geschäft des Friseurs. Er ist der grösste Stilist in der Gegend. Seine Dauerwellen schlagen jahraus, jahrein an die Ufer des wachsenden Dorfes. Im Herbst stellt er jeweils seine neusten Haarteile zur Schau. Sie liegen im Fenster wie ein Wurf nasser Tiere.
    Die Kassenfrau grüsst den Friseur nicht mehr, weil er ihr langes Haar (ohne zu fragen) zu neuen Haarteilen verarbeitet hat. Alle paar Tage sieht sie den Direktor der nahen Apparatefabrik vor ihre sechs Säulen fahren. Er trägt ihr Haar, und sie muss ihn grüssen.
  3. Petri Heil! Aus dem Kolonialwarenladen von einst ist auf dem sühnevollen Umweg über einen Drittweltladen nun ein Engelladen entstanden im Dorf: Patricks Angelshop.

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Hat einen Draht zur Agglo: Schriftsteller Dominik Riedo.
Stadtbesuch in der Agglo

Online-Spezial: Weder in der Stadt noch auf dem Land, erbaut auf einer betongrauen Agglo-Wiese, vom Strom der Autobahn unterflossen, steht das «Westside»-Einkaufszentrum in Bern-West. Dominik Riedo geht in diesem Zwischenreich für uns auf Spurensuche.

Kein schöner Land

Ich bin in der Kleinstadt aufgewachsen. Nicht auf dem Land. Wir legten damals Wert auf diesen Unterschied. Jeder, der mit dem Auto von Zürich nach Bern fuhr, musste durch Bremgarten. An Sommertagen roch die Kleinstadt nach Benzin. Und da war der Fluss. Mein Zürcher Onkel kam mit der Vespa und mein Basler Onkel mit der […]

photographiert von Pascal Mora.
Bitte angemessen beflaggen!

Bänz Friedli wurde als herumreisender «Pendlerkolumnist» in «20 Minuten» einem Millionenpublikum bekannt – niemand beschrieb die Agglo wie er. Heute sagt er: So richtig kennengelernt habe er sie eigentlich erst, nachdem er das berufliche Gleis gewechselt habe. Ein Werkstattbericht.

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