Rasende Poeten
Unterwegs zwischen Literatur und Journalismus
Joseph Roth, Egon Erwin Kisch, Joseph Mitchell, Bruce Chatwin, Annemarie Schwarzenbach, Tim (mit Struppi), Nicolas Bouvier, Niklaus Meienberg, Hugo Loetscher, Marie-Luise Scherer, Marc Fischer – die Liste der Namen liesse sich über Seiten hinweg verlängern. Die Rede ist von Reporterinnen und Reportern, die mit ihrem Notizblock um die Welt reisten oder zumindest in den nächsten Problem-bezirk, da schrieben und recherchierten, wo es wehtat. Ihr Auftrag? Abgelegene, dunkle Ecken ausleuchten und den daheimgebliebenen Zeitgenossen die Entdeckungen in literarischer Form vermitteln! Das Ganze meist für (zu) wenig Geld, aber stets mit Aussicht auf die Titelgeschichte. Reporter. Reporterikonen. Manche in Trenchcoats. Und viele Schriftsteller im Nebenberuf.
Heute muss man beim Wort «Reporter» vor allem an verschollene oder – von Barbaren vor laufenden Kameras – enthauptete Kriegsberichterstatter denken. Mit Irena Brežná berichtet auf den folgenden Seiten eine gestandene Publizistin davon, wie Greuel zu Text werden. Aber auch wer als Journalist mit literarischem Anspruch nicht im Kriegsgebiet unterwegs ist, weiss, dass schon die Wahl des Genres gefährlich ist. Wer literarische Reportagen schreibt, bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Literatur und Journalismus: Urs Mannhart hat jüngst einschlägige Erfahrungen mit den fliessenden Grenzen zwischen Fakt und Fiktion gemacht; während der Autor im Interview von seiner Arbeitsweise und dem Umgang mit sibirischen Katern erzählt, lotet die Germanistin Catarina Kostenzer für uns die Möglichkeiten des literarisch-dokumentarischen Genres aus.
Die Debatten um die literarische Reportage sind virulent. Unbestritten ist dabei: Wer wie Fabiano Alborghetti eine gute Geschichte erzählt und den richtigen Ton trifft, macht die Mischform zum Leseerlebnis, und wer den Grenzgang beherrscht, hat gute Chancen, sich bei uns Lesern unsterblich zu machen. Joseph Roth, Egon Erwin Kisch… Sie wissen schon.