Rolf Hermann:
«Das Leben ist ein Steilhang»
Willkommen im Wallis: «Und daa das Taal / Das wundärbar Taal. / Das eimaalig Taal / Das Tälli, das Taal. / Mit dum Rottu. / Däm flottu Rottu. / Am Rottu trottu. / Am flottu Rottu. / Däm flottu Rottu naa trottu. / Däm Rottu. / Däm Rottu. / Däm Rottu.» Nichts verstanden? Macht nichts, das ist ja auch die Welt von Rolf Hermann! Nach «Kartographie des Schnees» legt er mit «Das Leben ist ein Steilhang» sein neues literarisches Werk vor. Im Gegensatz zum eher klassisch gehaltenen ersten Gedichtband verwebt Hermann in seinem neuesten Werk Spoken-Word- und Slam-Texte mit Kurzgeschichten.
Es ist ein Vergnügen, in Hermanns Welt einzutauchen. Man findet sich beim Lesen der in sieben Kapitel unterteilten Texte im urchigsten, rauhsten, für aussenstehende Augen und Ohren nahezu unverständlichen Wallis wieder. Hier kann man sich von aberwitzigen Kurzgeschichten und lautmalerischen lyrischen Bildern einlullen lassen oder sich die walliserdeutschen Texte laut vorlesen: Ich gebe zu, als Walliserin in der «Üsserschwiz» habe ich da zwar einen Heimvorteil – und doch kann ich es auch ungeübten Leuten nur empfehlen, macht es doch einen Heidenspass! Zum Glück aber kann man zwischendurch dank der hochdeutschen Übersetzungen, die der Autor mit Ursina Greuel angefertigt hat, auch immer wieder durchatmen. «Uber di Poort vam Frigor / schtolziärt ä Häärdu wissbrüü / gfläkktär Chiä. Iri Gloggä / liitunt dur ds ganz Hiischi. / Vollär Freid schlikk i zwei / griäni Lüüchtschtift und tüe / aafa, d Wonig puzzu.» Absurditäten wie diese Herde weissbraun gefleckter Kühe, die über den Kühlschrank stolzieren, und die verschluckten grünen Leuchtstifte, dargestellt in sperrigem Leuker Walliserdeutsch, sind auch für mich als Zermatterin eine Herausforderung – und sie erheitern auch das Gemüt am meisten.
Hermann setzt seine Lust am Spiel mit Sprache und Ton in Szene. Alltägliches und Abstruses, Phantastisches und Lebensnahes, Melancholie, Polemik und Humor gehen Hand in Hand. «Das Leben ist ein Steilhang» macht mir Lust, die eigene Sprache, den eigenen Dialekt, aber auch mein Wallis zu erforschen. Hermanns Buch ist Zufluchtsort, wenn einem der Alltag zu öde wird, und besser als manch ein Antidepressivum. Es ist ein literarischer Hochgenuss von stets abgründig abstrusem, dabei nie trivialem Inhalt.
Es lohnt sich, die Mühe auf sich zu nehmen und die Mundarttexte zu bevorzugen, sich durch diese immer wieder neuen Steilhänge und über diese immer wieder neuen Abgründe zu kämpfen. Erstens wird man dafür mit einem Grinsen auf dem Gesicht belohnt. Und zweitens mit einem wohligen Gefühl von Zuhausesein – in einem Dialekt, der, und sei er einem nun auch vertraut oder fremd, jeden Anflug von Heimweh vertreibt.
Rolf Hermann: Das Leben ist ein Steilhang. Luzern: Der gesunde Menschenversand, 2017.